Am 27. Mai tritt der EU-Rat zusammen, um eine Entscheidung zu treffen, die für das europäische Projekt von großer Tragweite sein könnte: Das mögliche Entzug des Stimmrechts Ungarns nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Diese Maßnahme geht weit über einen gewöhnlichen Verwaltungsakt hinaus und stellt eine Eskalation im Konflikt zwischen zentralistischer Integration und nationalstaatlicher Eigenständigkeit dar.
Formell soll es um die „Wahrung europäischer Grundwerte“ gehen, doch im Kern ist der Streit darüber, wie sich EU-Staaten in ihrer Souveränität ausdrücken dürfen. Ungarn steht hier exemplarisch für eine Politik, die sich dem Konsens verweigert und bereits seit 2018 für seine migrations-, medien- und rechtspolitischen Entscheidungen kritisiert wird.
Mit der Ankündigung eines Vetos durch die Slowakei zeigt sich, dass diese Diskussion einen neuen Block entstehen lässt. Nationen wie Italien, Tschechien oder Österreich könnten in Kürze folgen, um ihre nationale Handlungsfreiheit zu bewahren. Dieser Bruch ist nicht nur taktisch, sondern strukturell: Die Legitimationsbasis der EU schwindet, je mehr Staaten ihre Souveränität beanspruchen.
Die Frage bleibt offen, ob Ungarn ein Einzelfall bleibt oder der Anfang einer neuen Realität für die Europäische Union markiert. Eine Illusion einer homogenen Union weicht einem pluralen Europa der souveränen Nationen, das zwar konflikthafter sein mag, aber ehrlicher und vielfältiger.