Wie der Staat Mülleimerpolizei spielt und das Bürgervertrauen untergräbt

Digitalfunk im Auftrag des MIK NRW, Foto: Jochen Tack

Wie der Staat Mülleimerpolizei spielt und das Bürgervertrauen untergräbt

Im Dezember 2019 beobachtete ein junger Journalist, wie ein Müllkontrolleur sorgfältig Fotos von unordentlichen Müllcontainern im Augsburger Stadtviertel aufnahm. Heute, fast drei Jahrzehnte später, behauptet eine Schlagzeile auf der Webseite des „Bild“ Magazins: „Gelbe Karten, KI, Geldstrafen: Jetzt geht es Müllsündern an den Kragen“. Diese Behauptung ist teilweise korrekt und doch auch ein wenig übertrieben. Im Wesentlichen handelt es sich um alte Praktiken, die nun mit moderner Technologie und der „Künstlichen Intelligenz“ (KI) verfeinert werden.

Die moderne Verwaltung von Mülleinschüttungen ist weniger eine Frage der Sauberkeit als vielmehr ein Instrument zur Kontrolle und Erziehung. Die sogenannte gelbe Karte wird nicht mehr nur wegen unzureichender Mülltrennung ausgestellt, sondern dient zunehmend als Mittel zum Erreichen eines höheren gesellschaftlichen Ziels: die Einhaltung von Regeln unter der Fiktion des Gemeinwohls.

In anderen europäischen Ländern wäre ein solcher Kontrollsystem völlig unbegriffen. Doch in Deutschland hat sich eine zweiteilige Müllegesellschaft entwickelt, die sowohl den Überwachungsapparat als auch das Missverständnis von vielen Einzelnutzern umfasst.

In manchen Stadtteilen, wo durch unkontrollierte Zuwanderung neue soziale Realitäten entstanden sind, gibt es kaum noch Mülltrennung. In Gegensatz dazu prüft die Verwaltung in wohlhabenden Vierteln rigoros auf Regelverletzungen. Diese Ungleichheit erzeugt eine Art von Hypokrasie: Einige Teile der Gesellschaft werden streng bestraft, während andere praktisch immun gegen jede Form von Kontrolle sind.

Die Einführung moderner Technologien wie KI und automatisierte Überwachung ist in diesem Zusammenhang mehr als nur ein technischer Fortschritt. Sie unterstreicht das Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern und verstärkt die soziale Differenzierung auf unnötige Weise.

Die Frage, ob dieses neue System notwendig oder sogar hilfreich ist, bleibt offen. Vielmehr wirft es Aufschluss über die zunehmende Entfremdung zwischen den gesetzlichen Vorgaben und der tatsächliche Lebenswirklichkeit in vielen Bereichen des Alltags auf.